BergAnsichten: Zum Glück gezwungen – grosse Lösungen für grosse Probleme


Kommentar von Edgar Grämiger in Internationale Seilbahn-Rundschau 5/2021 ISR


Die Pandemie hat uns einige erstaunliche Dinge über uns selbst und über das Funktionieren unserer Gesellschaft und Wirtschaft gelernt. Diese Erkenntnisse können von enorm grossem Wert für die Bewältigung zukünftiger Krisen sein, bzw. der Bewältigung «DER» Krise.


Learning Nr. 1 – erstaunliche Geschwindigkeit

Wir Menschen sind in der Lage, innert kürzester Zeit (am Morgen noch in der Schule, am Nachmittag Shutdown) unsere Verhaltensweisen und Ansichten zu ändern, unsere gesellschaftlichen Konventionen zu überdenken und unser Wirtschaftssystem anzupassen.  


Learning Nr. 2 – erstaunlich einfache Umsetzbarkeit von einschneidenden Massnahmen

Mit der Erkenntnis der absoluten Notwendigkeit von Massnahmen, sind wir als Gesellschaft bereit auch sehr einschneidende Massnahmen anzunehmen. Diese Opferbereitschaft ist möglich, wenn es ohne Ausnahmen alle trifft und nicht nur Einzelne. Das Kollektiv macht es möglich.


Learning Nr. 3 – erstaunliches Leadership unserer Führungsspitzen

Die Krise hat den Wert von Führungsstrukturen aufgezeigt. Nicht nur Regierungen auf allen Ebenen, sondern auch Wirtschaftsverbände, Sportverbände, etc. haben Leadership gezeigt und einen Einfluss geltend gemacht, dessen sie sich vorher nicht bewusst waren.


Learning Nr. 4 – erstaunliche viele positiven Ergebnisse, trotz heftigen Verzichts

Ja, die Pandemie hat einige von uns sehr hart getroffen. Es gibt keine Veranlassung, die negativen Auswirkungen auszublenden. Sowohl der Virus selbst als auch unsere Gegenmassnahmen haben Leid ausgelöst und Verzicht nötig gemacht. Gerade der Druck, weiteres Unheil abzuwenden, hat einen Schub ausgelöst, um kreative Wege nach vorne zu entwickeln. Gerade in der Tourismusbranche, welche von der Pandemie besonders hart getroffen war.

Vieles davon ist positiv: die Wiederentdeckung des nahen, heimischen Marktes durch die Tourismuswirtschaft, die Wiederentdeckung der Einfachheit und Schönheit naher Erholungsgebiete durch den heimischen Gast, die Wiederentdeckung der Liebe zu den Alpen, die beschleunigte Digitalisierung im Verkauf und in der Kommunikation, das verbessertes Management der Gästeströme im Talbereich und am Berg, gestraffte Kostenstrukturen, gestraffte Führungsstrukturen, der Zusammenhalt der Alpenländer u.v.m.


Die Chance in der Krise liegt vor allem in der Erkenntnis, dass «wir» es tatsächlich in der Hand haben, die Dinge rasch und wirksam zum Besseren zu verändern. Die grosse Frage ist: «Müssen wir «zum Glück» unmittelbar gezwungen werden oder schaffen wir das durch kluge Einsicht und mutiges Handeln?»

Es braucht keine Propheten – die nächste Krise wird nicht lange auf sich warten lassen. Die Notwendigkeit zu handeln, liegt vor allem angesichts der Klimakrise schon länger auf der Hand. Der Leidensdruck ist noch nicht gross, aber er ist da. 

Nehmen wir als konkretes Beispiel den Ausbau von Solarenergie im Berggebiet.

Es ist seit längerem bekannt, dass der Ausbau der Solarenergie im Berggebiet grosse Vorteile hätte. Die Strahlungsintensität in höheren Lagen ist grösser. Solaranlagen im Berggebiet produzieren im Winter mehr Strom als Solaranlagen in tieferen Lagen. In den Skigebieten wird der Strom dann produziert, wenn er auch am meisten gebraucht wird. Nämlich am Tag und bei schönem Wetter. Der Preis für die PV-Module sinkt ständig, wohingegen der Bedarf an Elektrizität definitiv nicht sinken wird. Man denke an die Flotten von Elektroautos, welche unsere Skigebiete in Zukunft besuchen werden oder der Strombedarf für die Produktion von Wasserstoff zur Betankung von Pistenmaschinen.

Nehmen wir einmal an, die Dringlichkeit zum Handeln wäre vergleichbar mit jener in der Corona-Pandemie. Der Strom wird knapp. …. Es würde schnell gehen mit dem Ausbau! Im Bewusstsein, dass Solarpanels auch wieder entfernt werden können, wenn bessere und effizienter Stromquellen gefunden werden, würden die Bedenken des Landschaftsschutzes nicht so schwer wiegen, bzw. zwischenzeitlich in den Hintergrund treten.  

Regierungen würden unmittelbar wirksame Anreize schaffen, wie innovative Subventionsprogramme oder kostendeckende Einspeisevergütungen für die Solarproduktion, welche auch an exponierten Lagen rentieren muss, nicht nur an bestehenden Fassaden und auf Dächern. Unternehmer würden Chancen sehen, Produktionsketten würde aufgebaut. Unsere technikaffinen Bergbahnunternehmen, welche es gewohnt sind, Infrastrukturprojekte umzusetzen, würden zum Glück gezwungen. Wer macht mit? Die Zeit ist reif! 

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