BergAnsichten: Vom dynamischen Pricing zur dynamischen Angebotsgestaltung


Kommentar von Edgar Grämiger in Internationale Seilbahn-Rundschau 2/2022 ISR


Die Anzahl an Skigebieten mit dynamischen Preisen steigt im deutschsprachigen Alpenraum weiter an. Während die Preise also allmählich dynamisch werden, ist der Umfang des Angebots noch weitgehend starr. Für eine betriebswirtschaftliche Optimierung muss im nächsten Schritt auch eine dynamische Angebotsgestaltung geprüft werden.

Der Umsatzdruck bei vielen Bergbahnen im Alpenraum ist unverändert hoch. Die Auslastung der Anlagen ist zu tief, der Ertrag hinkt den Erwartungen hinterher, der Betriebsaufwand – sowohl die fixen Kosten als auch die variablen Kosten – ist auf hohem Niveau. Die Folge ist, dass nach Abschreibungen ein negatives Ergebnis resultiert. Die Unternehmen erwirtschaften auf lange Sicht zu wenig Ertrag, um am Ende der Lebensdauer eine alte Bahnanlage mit selbst erwirtschafteten Mitteln finanzieren zu können.


Angebotsgestaltung und Dynamic Pricing

Die Optimierung von Aufwand und Erträgen bleibt eine zentrale Aufgabe der Bergbahn-Unternehmen. Mit gezielten Massnahmen bei der Angebotsgestaltung, dynamisch bepreist, wird versucht die Auslastung in der Vor-, Zwischen- und Nebensaison zu verbessern. Events und preislich attraktive Packages sind wirksame Mittel, um eine höhere Auslastung zu erreichen.

Mit Dynamic Pricing wird die Zahlungsbereitschaft der Gäste an Spitzentagen abgeschöpft. Dank Frühbucher-Rabatten werden diejenigen Gäste belohnt, welche sich bereits mehrere Wochen im Voraus ein Ticket und der Bergbahn-Unternehmung Umsatz sichern. Zwar gelingt dadurch und je nach gewähltem Modell eine Umsatzsteigerung von 2 bis 8%, jedoch führt Dynamic Pricing nicht unbedingt zu einer besseren Auslastung an Saisontagen mit tiefer Nachfrage. Auch mit massiven Preisnachlässen wird die Auslastung kaum verbessert.

Mit Ausnahme der Vor- und Nachsaison, wird man das Gefühl nicht los, dass der Vollbetrieb des gesamten Skigebietes auch an sehr schwachen Tagen nicht hinterfragt wird. Doch wieso eigentlich? Während der Sportbus in der Zwischensaison nur im reduzierten Takt verkehrt – müssen am Berg wirklich alle Lifte laufen und alle Pisten präpariert sein?


Das Angebot eines Skigebiets auf die Nachfrage abstimmen

In vielen anderen Industrien ist es leichter das Angebot auf die Nachfrage abzustimmen. In der Flugindustrie ist es normal, dass der Flugzeugtyp auf die nachgefragte Passagierzahl angepasst wird, um Sprit- und Personalkosten zu sparen. Aber auch im Fussballstadion werden nicht alle Sektoren geöffnet, wenn nur die Hälfte der Tickets verkauft wird.

Auch ein Skigebiet kann in Sektoren unterteilt werden. Die Anzahl an Varianten, wie und was geöffnet ist, ist aufgrund von bestimmten Anforderungen begrenzt. So muss ein Gast zum Beispiel eventuell jederzeit von A nach B kommen oder muss ein bestimmter Aussichtspunkt mit Gastronomie erreichen werden können. Auch auf gewisse Zubringerlifte kann möglicherweise nicht verzichtet werden. Es bleibt trotzdem die Frage, welche Skigebietszonen / Pistenabschnitte erst ab einer bestimmten Nachfrage geöffnet werden müssen.

Die Vorteile einer solchen Dynamisierung des Angebotes sind, dass bei Schliessung eines Sektors zum Beispiel Treibstoff für das Präparieren von Pisten eingespart wird, die Betriebs- und Personalkosten sinken, aber auch die Belastung von Fauna und Flora abnimmt (weniger Verkehr am Tag und in der Nacht). Zu den Nachteilen zählt die sinkende Attraktivität des Skigebietes. Ein reduziertes Angebot sowie die Variabilität des Angebotes werden nicht bei allen Gästen (und Leistungspartnern) gut ankommen. Die Erwartungen der Gäste müssen zwingend erfüllt werden und es bestehen hohe Anforderungen an die Kommunikation.

Eine Optimierung ist möglich, wenn das Verhältnis zwischen der Anzahl der nachgefragten Tickets, einem vordefinierten Pisten- und Gastronomieangebot sowie einem dynamischen Preis abgestimmt wird. Diese komplexen Beziehungen können modelliert werden, müssen aber in der Praxis validiert und weiterentwickelt werden. Im idealen Punkt zeigt das Modell zufriedene Kunden und eine optimierte Kosten- und Ertragsmenge beim Bergbahnunternehmen.

Die Erfahrungen mit Dynamic Pricing zeigen, dass eine frühzeitige und transparente Kommunikation für die Akzeptanz dynamischer Preise notwendig ist. Je grösser die Varianz im Angebot und im Preis, desto anspruchsvoller die Kommunikation. Den Gästen muss vermittelt werden, wie der Mechanismus zwischen Nachfrage, geöffneten Pistenbereichen am geplanten Skitag und dem Preis ist.

Nach dem sich dynamische Preise im gesamten Alpenraum verbreiten, steckt die konsequente, nachfrageorientierte Angebots- und Preisgestaltung noch in den Kinderschuhen. Das Potenzial aus Sicht der Bergbahnen ist vielversprechend, hingegen sind die Effekte noch weitgehend unbekannt und müssen erst erforscht werden.

Newsletter