Bild Gondelbahn

BergAnsichten: Strukturelle Lasten von Bergbahnunternehmen

Kommentar von Edgar Grämiger in Internationale Seilbahn-Rundschau 3/2021 ISR

Kein Berg, kein Tal ist gleich. Die «strukturellen Voraussetzungen» für den Betrieb eines Bergerlebnisgebietes wie Topographie, Platzverhältnisse, Zugänglichkeit, Exposition, etc. sind überall unterschiedlich. 

Für manche Bergbahnunternehmen sind ihre «strukturellen Voraussetzungen» eine schwere Last, welche einen gewinnbringenden oder gar kostendeckenden Betrieb unmöglich machen. Solche Unternehmen müssen ständig Kosten sparen, die Qualität leidet und innovative Ideen um die Unternehmung zu entwickeln oder um das Gästeerlebnis zu verbessern sind zwar vorhanden, lassen sich aber nicht finanzieren. Eine Negativspirale.


Mit und ohne Zubringerbahn – die Fakten

Aus vielen Projekten der Vergangenheit zeigt sich, dass insbesondere Bergerlebnisgebiete mit aufwändigen Zubringerbahnen eine erhebliche strukturelle Last (Systemlast) zu tragen haben. Der folgende hypothetische Vergleich von zwei Skigebieten macht dies deutlich.

Im Skigebiet A müssen die Gäste von 700m ü. M mit einer Bahn auf 1’500m ü. M. transportiert werden, in Skigebiet B fahren die Gäste selber zum Parkplatz auf 1’500 m ü. M. Das Pisten- und Liftangebot beider Skigebiete ist ansonsten identisch. Die Talabfahrt im Skigebiet A wird selten benutzt, so dass von einer klassischen Zubringerbahn ausgegangen wird, welche wenig bis keine Wiederholungsfahrten generiert.

Die Investitionskosten für die Zubringerbahn in Skigebiet A betragen EUR 9 Mio., die kalkulatorischen Abschreibungen (AfA) belaufen sich auf EUR 300’000 pro Jahr. Damit die Unternehmung  den Ersatz der Zubringerbahn nach 30 Jahren mit eigenen Mitteln finanzieren kann, müsste sie jährlich rund EUR 300’000 mehr Cashflow erwirtschaften.  

Mit der Zubringerbahn allein lässt sich kein oder nur wenig Geld verdienen. Nur wenn jene Anlagen in Betrieb sind, welche das Bergerlebnis ermöglichen, kommen die Gäste ins Gebiet. Wie viele zusätzliche Gäste muss also Skigebiet A im Vergleich zu Skigebiet B anlocken? Mit einem Sommeranteil von ca. 30% und der Annahme einer branchenüblichen Cashflow-Marge, sprechen wir von einem Mehrertrag um EUR 1.0 bis 1.2 Mio. oder 45’000 bis 55’000 zusätzlichen Ersteintritten. Eine ziemliche grosse Herausforderung für eine mittelgrosse Unternehmung … wenn die Mittel knapp sind!   


Weitere Gründe für strukturelle Lasten

Es gibt viele Gründe für strukturelle Lasten. Fehlende Verfügbarkeit von Wasser am Berg führt beispielsweise dazu, dass aufwändige Beschneiungsinfrastrukturen mit hohen Betriebs- und Unterhaltskosten errichtet werden müssen. Eine hohe Windexposition kann die Kosten der Bahnerschliessung durch angepasste Linienführungen enorm verteuern. Beengte Platzverhältnisse können zu aufwändigen Parkplatzlösungen führen.  

Bergbahnunternehmen, welche eine aussergewöhnliche strukturelle Last zu tragen haben, können sich nicht im selben Masse auf das Kerngeschäft konzentrieren. Statt das Bergerlebnis weiterzuentwickeln und den Marktanforderungen anzupassen, müssen personelle und finanzielle Ressourcen für die Kompensation der Systemlast(en) aufgewendet, bzw. Kosten eingespart werden.

Bei der Situationsanalyse in Strategieprozessen und finanziellen oder organisatorischen Restrukturierungsarbeiten, lohnt es sich deshalb genau hinzuschauen. Strukturelle Probleme lassen sich mittels Benchmarking betriebswirtschaftlich gut abschätzen.


Eine strukturelle Last auf mehreren Schultern verteilen

Bei der Lösungsfindung zum langfristigen Erhalt der Investitionsfähigkeit einer Bergbahnunternehmung kann die Bereitschaft einer Region, beim Ausgleich einer strukturellen Last einen Beitrag zu leisten, entscheidend sein.

Durch das breite Verständnis für schwierige – unverschuldete – strukturelle  Voraussetzungen, bestehen bessere Chancen, faire und politisch mehrheitsfähige Lösungen zu finden.

Ohne Bergbahn ist regionalwirtschaftlicher Wertverlust unvermeidbar. Die Bewältigung einer strukturellen Last gelingt in diesem Sinne am besten gemeinsam und mittels Unterstützung der Leistungsträger am Ort.

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