Bergbahn im Sommer

BergAnsichten: Die Zeit nutzen – den Berg der Zukunft gestalten


Kommentar von Edgar Grämiger in Internationale Seilbahn-Rundschau 5/2022 ISR


Ohne Bergbahnbetrieb geht (eigentlich) nichts.

Diverse Beispiele der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass vor allem kleinere und mittlere Tourismusdestinationen vor fast unlösbaren Problemen stehen, wenn der Bergbahnbetreiber auszufallen droht. Ohne Bergbahnen fehlt nicht nur ein zentrales Angebotselement, sondern der Motor selbst, welcher die Destinationen antreibt und Perspektive gibt.

Einfach aufgeben darf aber nicht die naheliegende Option und Lösung sein, auch wenn es heisst, dass «die klimatische Entwicklung nun mal so sei wie sie eben sei» und «der Markt sowieso gesättigt sei». Sofern die Destination (der Ort, die Talschaft) sich nicht selbst schon komplett aus der Tourismuswirtschaft verabschiedet hat und der Wille Gastgeber zu sein in der Region weiter vorhanden ist, darf das Angebot «Bergerlebnis» nicht leichtfertig aufgegeben werden. Auch in tiefer gelegenen Regionen nicht. Die kleineren und mittleren Destinationen haben auch in der Zukunft des nachhaltigen Reisens einen Platz, denn sie sind a) bereits vorhanden und b) sie sind nah. Es braucht keine Fantasie um sich eine Zukunft ohne jederzeit und zu Tiefstpreisen verfügbare Fernreisen (Christmas-Shopping in New York) vorzustellen, wir haben es erlebt. In der Pandemie war die Nachfrage nach dem nahen und fernen Bergerlebnis plötzlich wieder da, die Liebe zu den Alpen ist wieder erwacht.

Der Erhalt eines attraktiven alpinen Tourismus, der kleinere und mittlere Destinationen miteinschliesst, ist aus nachhaltiger Perspektive sinnvoll. Die Umsetzung allerdings, welche nach ziemlich harten finanziellen Aspekten beurteilt werden muss, ist nicht so einfach.

Unternehmensstrategien und Businesspläne von Bergbahnunternehmen in einem «stabilen Umfeld» mit einer funktionierender Tourismuswirtschaft, einem prosperierenden Einzugsgebiet und absehbaren klimatischen Bedingungen haben einen Zeithorizont von 5-7 Jahren. Innerhalb dieser Zeitspanne kann in der Regel abgebildet werden, wie sich Investitionen finanziell nachhaltig auf die Cashflows auswirken und ob die Finanzierbarkeit einer Investition gegeben ist. Im stabilen Umfeld sind Folgeinvestitionen in der Hotellerie, Parahotellerie, Gastronomie, etc. willkommen und explizit erwünscht, aber nicht matchentscheidend.

Komplexer wird die Situation, wenn sich bei einer Destination die Schicksalsfrage stellt. Kann der Seilbahnbetrieb gesichert werden? Falls ja, wie? Die gegenseitigen Abhängigkeiten von qualitativem Bettenbau, gastronomischem Grundangebot, Erlebnisangebot am Berg und im Tal, Qualität der Verkehrserschliessung etc. treten sofort zu Tage und es gibt nur noch «eine gemeinsame Zukunft». Der Businessplan dehnt sich quasi auf die ganze Destination aus und wird zum Masterplan für Berg und Tal. Ob auf der grünen Wiese ein neues «integriertes Resort» gebaut wird oder ob eine bestehende Destination mit grossen Erneuerungs- und Ausbauinvestitionen konfrontiert wird, ist eigentlich unerheblich. Es muss aufgezeigt werden, ob sich DAS GANZE finanziell trägt, nicht nur die nächsten 5-7 Jahre, sondern langfristig.

In diesem Szenario spielen die Investitionszyklen der unterschiedlichen Stakeholder eine zentrale Rolle. Einem Hotelinvestor, welcher einen Planungshorizont von 40-50 Jahren für sein Investment benötigt, reicht ein Planungshorizont von 25 bis 30 Jahren nicht aus. Dieser Zeitraum entspricht der durchschnittlichen und realistischen Dauer eines Investitionszyklus eines Bergbahnbetriebs. Es braucht eine langfristige gemeinsame Vision und eine aufeinander abgestimmte Investitionsplanung

Eine zentrale Frage für die Aufrechterhaltung des Skibetriebs betrifft die Investitionen in die Beschneiung. Tun wir’s noch oder tun wir’s nicht mehr? Ein neuer Speicherteich, die Erhöhung der Pumpenkapazitäten, die Beschaffung von Schneigeräten neuester Technologie etc..

Ob und wie lange diese grossen Investitionen aus klimatischer Sicht sinnvoll sind, lässt sich auf Basis aktueller Klimaprognosen und mikroklimatischen Gegebenheiten beurteilen. Ob es aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist, einen weiteren Investitionszyklus fürs Skierlebnis zu lancieren, muss der Businessplan, respektive der Masterplan zeigen.

Nun zeigt sich die Herausforderung für kleine bis mittlere Destinationen mit einer Abhängigkeit vom Schneesport. Ohne moderne, warme Betten für skiaffine Gäste rechnen sich Investitionen in den Skibetrieb nicht. Aber ohne langfristige Vision bzw. Planungssicherheit einer Rückfallebene für das Szenario «Bergerlebnis, ohne Skilauf» sind wiederum Investitionen in Betten schwierig.

Im Szenario «Sein oder nicht Sein» kleinerer und mittlerer Destinationen in tieferen Lagen braucht es eine langfristige Perspektive wie das Bergerlebnis «ohne Skiangebot» gestaltet werden kann. Ansätze sind heute schon vorhanden; Verlagerung in den Sommer, Ausrichtung auf Ganzjahresbetrieb, Positionierung als Ausflugs- und Erlebnisberg, Bike, Trailrunning, etc.. Noch ist vielerorts eine «Investitionszyklus Ski» möglich. Die Zeit, die damit gewonnen ist, müssen wir für die Entwicklung von Alternativen und dem Berg der Zukunft nutzen.  

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