BergAnsichten: Alte und neu entdeckte Werte

Kommentar von Edgar Grämiger in Internationale Seilbahn-Rundschau 1/2021 ISR

WIR DÜRFEN HOFFEN, dass der Winter 2020/21 für lange Zeit der letzte „Pandemiewinter“ bleiben wird. Doch welche alpine Normalität erwartet uns nach dieser Ausnahmesituation? Eine Tatsache ist wohl unbestritten: Nach Corona ist nicht vor Corona. Was sich im alpinen Tourismus verändern wird, kann in fünf Thesen zu Gästebedürfnissen und fünf Handlungsfeldern für Bergbahnen und Destinationen zusammengefasst werden:


These 1: Erhöhtes Sicherheitsbedürfnis und erhöhte Hygienestandards werden für längere Zeit bleiben. Unabhängig vom Erfolg der Impfungen und der damit verbundenen Herdenimmunität wird der Gast für lange Zeit ein höheres Sicherheitsbedürfnis haben. Für einen Großteil werden Abstand halten können, mehr Platz in den Kabinen und Sauberkeit zu klaren Muss-Kriterien.

These 2: Back to the roots! – Der wertvolle heimische Markt. Der eingeschränkte Bewegungsradius tat und tut dem Urlaubsbedürfnis keinen Abbruch. Sehr viele Gäste haben die heimische (Berg!)-Welt als Naherholungs- und Urlaubsziel wieder kennen und schätzen gelernt. Viele Bergbahnen haben – zumindest im Sommer – von dieser Wiederentdeckung profitiert. Das Gute und Schöne liegt nahe – auch in den nächsten Jahren.

These 3: Der große Wert von sozialen Kontakten und spontanen Treffen. Unsere sozialen Kontakte wurde gekappt, die Pandemie schränkt uns deutlich ein. Der große Wert, unbeschwert gemeinsam Erlebnisse teilen zu können, wird für eine Weile einen großen Stellenwert haben. Schon vor der Pandemie zeigten sich Entwicklungen, welche sich nicht aufhalten ließen und bald wieder im Vordergrund stehen werden.

These 4: Steigendes Bedürfnis nach Natur und Naturerlebnissen. Sport im alpinen Raum, in der Nähe zum Wohnort, erfreute sich schon vor Corona steigender Beliebtheit. Wandern, Biken, Langlauf, Winterwandern, Schneeschuhlaufen und Skitouren bleiben wachsende Segmente. Das Einfache, Rustikale, bisweilen Einsame eines Naturerlebnisses bleibt als Kontrast zum grauen und überfüllten Alltag im Trend.

These 5: Ökologie und Nachhaltigkeit. Die Forderung nach ökologischen Standards und nachhaltigen Betriebsstrukturen nehmen zu. Unabhängig von den tatsächlichen klimatischen Entwicklungen bleibt der alpine Tourismus im Fokus und muss sich für ein durchgängig umweltverträgliches Gasterlebnis engagieren.



HANDLUNGSFELDER FÜR BERGBAHNEN UND DESTINATIONEN

Bergbahnen und alpine Destinationen müssen ihr Angebot hinsichtlich der veränderten Bedürfnisse ausbauen und positionieren. Fünf Handlungsfelder:

1. Digitalisierung ist wichtiger denn je:

Es gilt die Möglichkeiten der Digitalisierung am Berg für ein reibungsloses Gästeerlebnis konsequent zu nutzen. Mittels kontaktlosem Ticketkauf und Gästestromanalysen in real-time können Besucher gelenkt und Menschenansammlungen verhindert werden.

2. Crowd-Management weiter ausbauen:

Gäste wollen nicht mehr in großen Menschentrauben anstehen müssen. Eine entspannte Gästelenkung, wie sie viele Skigebiete diesen Winter entwickelt haben, sollte sich als Standard etablieren. Die geordnete Befüllung, Gästeverteilung und Entleerung eines Skigebietes wird zum Qualitätsmerkmal. Wer dem Gast ein Erlebnis ohne Gedränge bieten wird, kann sich differenzieren.

3. Betriebswirtschaftliche Stabilität:

Die Pandemie zeigt leider eindrücklich die Abhängigkeit ganzer Regionen vom Betrieb einer Bergbahn. Die betriebswirtschaftliche Stabilität, inklusive notwendiger finanzieller Reserven, ist ein Grundpfeiler für die Planbarkeit der regionalwirtschaftlichen Entwicklung von alpinen Destinationen.

4. Kooperation von Leistungsträgern:

Gutes Crowd-Management beginnt nicht erst am Parkplatz der Bergbahn, sondern sobald der Gast sich informiert. Schnittstellen, wie die Ankunft am Bahnhof und die Weiterfahrt mit dem örtlichen Bus, müssen ebenso proaktiv gemanagt werden wie der Sammelplatz einer Skischule. Heute etablierte Task-Forces können auch weiter Bestand haben.

5. Ökologie und Nachhaltigkeit:

Die Pandemie hat uns gelehrt, in einer sehr schwierigen Situation rasch umsetzbare Konzepte zu erarbeiten. Im ersten Moment dachte man häufig „unmöglich!“, doch siehe da, das Unmögliche wurde möglich. Selbiges kann für die Herausforderungen und deren Lösungen im Bereich Ökologie und Nachhaltigkeit gelten. Kreativität und mutige Konzepte sind gefragt.

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